Vorstandssitzung vom 12. Juli: Die strafrechtliche Verantwortung der Kommunalpolitiker im Mittelpunkt der Diskussionen

Während seiner Vorstandssitzung, die am Montag, den 12. Juli im hauptstädtischen Rathaus stattfand, stellte das SYVICOL Vorschläge zur strafrechtlichen Verantwortung der kommunalen Mandatsträger im Rahmen der Schaffung eines legalen Statuts für Gemeindepolitiker vor. Auf der Tagesordnung standen zudem der Entwurf zur Änderung des Kapitels II der Verfassung, der Entwurf der großherzoglichen Verordnung zur Einführung neuer Regelungen in Bezug auf das Anschaffen von emissionsarmen oder emissionsfreien Fahrzeugen bei europäischen Ausschreibungen sowie ein Gesetzesentwurf zur Abschaffung der Wohnsitzbedingung für das Eintragen von Staatsangehörigen der Europäischen Union in die Wählerlisten für die Kommunalwahlen.

Zu Beginn der Sitzung beglückwünschte Präsident Emile Eicher zunächst die Gemeinden Grosbous und Wahl  zum Ausgang des Fusionsreferendums. Die Bürger beider Gemeinden hatten sich am 27. Juni mehrheitlich für den Zusammenschluss ausgesprochen, der nach den Kommunalwahlen vom 11. Juni 2023 in Kraft treten wird.

Anschließend nahmen die Vorstandsmitglieder einen Vorschlag hinsichtlich der strafrechtlichen Verantwortung der Kommunalpolitiker an und forderten so, dass bei der Reform des Gemeindegesetzes eine neue Regelung der strafrechtlichen Haftung für kommunale Mandatsträger eingeführt werden soll.

Sowohl im Hinblick auf ihre zivilrechtliche Haftung als auch auf strafrechtlicher Ebene sind die Risiken, die die gewählten Mandatsträger bei der Ausübung ihres Amtes eingehen, in der Tat zahlreich geworden. Darüber hinaus  neigt der Gesetzgeber seit einigen Jahren immer öfters dazu strafrechtliche Sanktionen in Sondergesetzen vorzusehen, die auch gegen Mandatsträger in Ausübung ihres Amtes verhängt werden können.

In dem Zusammenhang spricht sich der SYVICOL-Vorstand dafür aus die Frage nach einem wirksamen Schutz im Hinblick auf die strafrechtliche Verantwortung allgemein zu regeln, wodurch so einerseits ein Gleichgewicht zwischen dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz und andererseits dem Schutz vor den Risiken, denen die gewählten Kommunalvertreter bei der Ausübung ihres Mandats ausgesetzt sind, hergestellt wird. Der Vorstand ist der Ansicht, dass  die in Belgien bestehende Regelung bei der die Gemeinde die Kommunalpolitiker unter bestimmten Bedingungen vor einer Strafverfolgung schützt,  gute Ansätze liefert. Jedoch müssten einige  Änderungen vorgenommen werden, um hierzulande eine Regelung einzuführen, die mit der nationalen Gesetzgebung und Rechtsprechung übereinstimmt.

Konkret schlägt das SYVICOL in dem Zusammenhang vor eine strafrechtliche Haftung der Gemeinde einzuführen, die sich auch auf die Handlungen von Mandatsträgern erstreckt, die während der Ausübung ihres Amtes begangen werden und nicht auf ein persönliches Verschulden oder auf eine Handlung zurückzuführen ist, die unabhängig von der Ausübung ihres Mandates zustande kommt. Demzufolge wäre die Gemeinde auch zivilrechtlich haftbar für die Entschädigungen für die Vergehen, die den Mandatsträgern während der Ausübung ihres Amtes zu Lasten gelegt werden. Andererseits legten die Vorstandsmitglieder großen Wert darauf, dass die Gemeinde über die Möglichkeit eines Regressanspruchs verfügt, um so unter bestimmten Bedingungen die Rückzahlung der von ihr gezahlten Strafzahlung einfordern zu können.

In der anschließenden Diskussion waren die Vorstandsmitglieder der Ansicht, dass dieser Vorschlag ein Schritt in die richtige Richtung sei und betonten, wie wichtig es sei, diese Vorschläge im Rahmen der Reform des Gemeindegesetzes zu berücksichtigen.

Der nächste Punkt auf der Tagesordnung war die Stellungnahme zur vorgeschlagenen Änderung von Kapitel II der Verfassung. Nach dem neuen Artikel 26, Absatz 2, „organisiert der Staat das Schulwesen und gewährleistet auch den Zugang zu ihm“. Das SYVICOL stellt in dem Zusammengang fest, dass diese Bestimmung dem Staat eigentlich zwei Aufgaben zuweist, die gegenwärtig zumindest teilweise von den Gemeinden wahrgenommen werden und fordert deshalb, dass die kommunale Verantwortung im Bereich der Grundschule durch eine verfassungsrechtliche Verfügung beibehalten wird. Sollte der Staat vorhaben, die alleinige Verantwortung im Bereich Grundschule zu übernehmen, würden sich die Gemeinden gegen eine zukünftige finanzielle Beteiligung aussprechen.

Anschließend befasste sich der SYVICOL-Vorstand mit der Stellungnahme zum Entwurf der großherzoglichen Verordnung über die Förderung sauberer Straßenfahrzeuge im Rahmen einer emissionsarmen Mobilität und zur Aufhebung der großherzoglichen Verordnung vom 17. Juni 2011 über die Förderung sauberer und energieeffizienter Straßenverkehrsfahrzeuge. Der Entwurf dieser großherzoglichen Verordnung, die die EU-Richtlinie 2019/1161 in luxemburgisches Recht umsetzt, sieht vor, dass eine Reihe jener Straßenfahrzeuge, die öffentliche Auftraggeber in Zukunft anschaffen, Mindestanforderungen beim CO2-Ausstoß und bei anderen Schadstoffen erfüllen oder sogar gänzlich emissionsfrei sein müssen. Diese Vorschrift gilt indes nur für öffentliche Ausschreibungen auf europäischer Ebene. Nationale Verfahren sind davon ausgeschlossen.

Auch wenn der Vorstand die Zielsetzung unterstützt, weist er darauf hin, dass die Umsetzung dieses Entwurfs der großherzoglichen Verordnung eine Herausforderung für die Gemeinden darstellt, da das Datum des Inkrafttretens unmittelbar bevorsteht (2. August 2021) und es dem Text an Klarheit mangelt. Darüber hinaus ist das Angebot an sauberen und energieeffizienten Straßenfahrzeugen derzeit noch sehr gering, zumindest für bestimmte Fahrzeugtypen, die von den Gemeinden genutzt werden. Außerdem sind die Preise für diese Fahrzeuge höher, bei einigen Nutzfahrzeugen gar doppelt so hoch. Zusätzliche Kosten werden durch die Installation von Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge verursacht werden.

In dem Zusammenhang begrüßt das SYVICOL den Vorschlag des Ministeriums für Mobilität und Öffentliche Arbeiten, dass sich die Gemeinden in Zukunft an der zentralen Ausschreibung von Elektrofahrzeugen beteiligen können, die das besagte Ministerium jährlich organisiert. Gleichwohl fordert das SYVICOL die Regierung auf, den Gemeinden nach dem sogenannten Konnexitätsprinzip Zuschüsse zum Ausgleich der Mehrkosten, die sich durch die neuen Verordnungen ergeben, zur Verfügung zu stellen.

Anschließendgab das SYVICOL eine positive Stellungnahme zum Gesetzvorschlag Nr. 7823 zur Änderung unter anderem des Wahlgesetzes vom 18. Februar 2003 ab. Ziel des vom Abgeordneten Sven Clement eingebrachten Vorschlags ist es die Wohnsitzvoraussetzung für das Eintragen von Staatsangehörigen anderer EU-Mitgliedsstaaten in das Wählerverzeichnis für Kommunalwahlen abzuschaffen und so eine bessere Integration zu garantieren

Anschließend schlug der SYVICOL-Vorstand Kandidaten für die Erneuerung des Disziplinarausschusses für Gemeindebeamte vor. Annie Nickels-Theis, Romain Osweiler und Michel Malherbe werden Dan Biancalana, Jean-Pierre Klein und Pierre Mellina ersetzen, die nicht mehr kandidieren. Patrick Goldschmidt, Paul Engel und Serge Hoffmann werden als Ersatz fungieren.

Die Mitglieder gaben alsdann grünes Licht für die Einstellung von Studenten während der Sommerferien in der SYVICOL-Verwaltung.

In seinem Bericht über die Aktivitäten des SYVICOL-Büros informierte Präsident Emile Eicher die Vorstandsmitglieder über ein Treffen vom 4. Juni mit der Innenministerin zum Thema „Pacte Logement 2.0“. Das gleiche Thema stand auch auf der Tagesordnung einer Videokonferenz des Büros mit dem Wohnungsbauminister am 16. Juni. Am 1. Juli hatte das Büro eine gemeinsame Sitzung mit dem Unterrichtsminister und der Innenministerin.

Unter dem Punkt „Divers“ sprach Nico Wagener das Einstellen von Studenten bei Gemeinden an. Aufgrund unterschiedlicher Ausbildungs- und Arbeitsschutzbestimmungen wird es seiner Ansicht nach immer schwieriger, junge Menschen befristet zu beschäftigen.

Der Punkt betreffend die Regierungsänderungen zum Gesetzentwurf Nr. 7126 über kommunale Verwaltungssanktionen und die Erweiterung der Befugnisse der „agents municipaux“ sowie zum Gesetzentwurf Nr. 7124 über die Einrichtung eines Rechtsmittels gegen Entscheidungen über kommunale Verwaltungssanktionen konnte indes aus Zeitgründen nicht behandelt werden. Er wird auf der Tagesordnung einer außerordentlichen Sitzung des SYVICOL-Vorstandes am Donnerstag, den 22. Juli, stehen.


Foto: © Archive du SYVICOL/Laurent Graaff

Publié le : 19.07.2021